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INFINITE STORYSCAPES

Jerneja Jezernik

Katarina Wakounig-Pajnič im Gespräch mit Jerneja Jezernik

[1] Ich freue mich, mich heute mit Jerneja Jezernik unterhalten zu können. Jerneja, als Schriftstellerin widmest du dich hauptsächlich der Erforschung, Übersetzung und Veröffentlichung der Werke von Alma M. Karlin.

Alma M. Karlin war eine Reisende, Schriftstellerin, Dichterin und Sammlerin, geboren 1889 in Celje und gestorben 1950 in Pečovnik bei Celje. 2009 erschien die erste Monografie über ihr Leben und Werk mit dem Titel Alma M. Karlin, državljanka sveta : življenje in delo Alme Maximiliane Karlin (1889-1950). 2016 erschien die Monographie Nisem le napol človek : Alma M. Karlin in njeni moški und 2020 erschien die erste deutsche Biographie des Karlin Mythos, die sich in die Hotlist 2020 unter die dreißig besten Büchern unabhängiger deutscher, österreichischer und schweizer Verlage reihte und wir könnten noch mehr Publikationen aufzählen.

Jerneja, woher kommt deine Begeisterung für Alma M. Karlin? 



Lassen Sie mich hinzufügen, dass Jerneja und ich uns schon lange kennen und wir uns aus dem Grund im Gespräch duzen werden.

Der Beginn meiner Bekanntschaft mit Alma Maximiliane Karlin geht eigentlich auf die Zeit zurück, als ich das Gymnasium in Celje besuchte, in der Stadt, in der Alma M. Karlin 1889 geboren wurde. Ich bin immer vom Gymnasium zum Hauptbahnhof gegangen und eines Tages, das war in den 1980er Jahren, bin ich auf die andere Straßenseite gewechselt, weil es mir so vorkam, als ob da etwas glitzert und da entdeckte ich eine neu aufgestellte Tafel. Auf der stand: »In diesem Haus wurde Alma Maximiliane Karlin geboren, 1889 – 1950« und dann zwei Worte, die mich für eine so kleine Provinzstadt wirklich bewegten, nämlich »Weltreisende und Schriftstellerin«.

Schon damals schien es mir, dass solche Frauen nicht in eine kleine, noch heute provinzielle Stadt, gehören. Es war eine Entdeckung, die mich dazu veranlasste, die Arbeit und das Leben von Alma M. Karlin zu erforschen, indem ich zuerst die Leute fragte, wer diese Frau war. Neben meiner regulären Arbeit setzte sich all das mit den erwähnten Biographien und Übersetzungen fort. Heute kann ich sagen, dass ich ein etwas breiteres Bild habe, aber das Mosaik haben wir sicherlich noch nicht in seiner Gesamtheit erfasst, denn ziemlich viel von Alma M. Karlins Werk ist noch nicht veröffentlicht, weder auf Deutsch, noch in slowenischer Übersetzung.

[2] Alma M. Karlin wurde als Tochter von Jakob Karlin, einem Major der österreichisch-ungarischen Armee, und Vilibalda Karlin, einer Lehrerin an der Mädchenschule von Celje, geboren. Ihr Vater Jakob starb an Schwindsucht als Alma erst acht Jahre alt war. Wie haben Almas Eltern ihr Aufwachsen und vor allem ihre Persönlichkeit beeinflusst?

Alma M. Karlin ist am einfachsten vorstellbar, wenn wir wissen, welcher Zeitgeist vorherrschte als sie lebte, in welchem geschichtlichen Zeitabschnitt sie arbeitete. Sie wurde als Tochter slowenischer Eltern geboren, ihr Vater Jakob Karlin war bei Almas Geburt ein pensionierter Major der altösterreichisch-ungarischen Armee und ihre Mutter war Lehrerin an der städtischen Mädchenschule. Sie beide stammten aus slowenischen Familien und entschieden sich, mit ihrer Tochter zu Hause Deutsch zu sprechen. Die Schwangerschaft blieb vorerst unentdeckt, sie hielten sie zunächst für eine Art Geschwulst oder Tumor im Bauch der Mutter, aber dann kam 1889 ein Mädchen mit einigen körperlichen Gebrechen zur Welt, was natürlich alle überraschte. Der Vater erwartete, endlich männlichen Nachwuchs zu bekommen, und die Mutter rechnete nicht damit, jemals ein Kinder zu Welt bringen zu können. Nachdem Alma M. Karlin mit all den körperlichen Gebrechen auf die Welt kam, scheint es, dass ihr Vater ihre Geburt besser verarbeiten konnte, anscheinend waren sie sich im Charakter ähnlich. Er erzog sie von klein auf in dem Sinne, sie als eine körperlich und geistig starke Persönlichkeit zu formen. Währenddessen war die Beziehung der Mutter zu Alma etwas schwerer oder manchmal eine problematische Beziehung, die zwischen Liebe, Hingabe und sogar Hass schwankte. Der Vater starb, als Alma acht Jahre alt war. Das Wichtigste für die Mutter war, ihre Tochter nach den kleinbürgerlichen Normen zu erziehen, die in der zweisprachigen Stadt an der Savinja vorherrschten. Alma, die von klein auf selbstständig handeln wollte, bekam zur Bestrafung als junges Mädchen einen Reisekoffer unter den Weihnachtsbaum und schon damals sagte sie: »Ja, ja, danke, das ist meine Lebensaufgabe.« Ihre Mutter bezahlte auch ihre Ausbildung, den Fremdsprachenunterricht, aber das Verhältnis zwischen ihnen war immer irgendwie angespannt. Aus diesen kleinbürgerlichen Mustern der Zeit sowie aus diesen nationalen Rahmenbedingungen, die sich gegen Ende des Jahrhunderts noch verschärften, gelang es Alma, sich zu raus zu winden und zu dem zu werden, was sie immer wollte. Schon als junges Mädchen betonte sie, dass sie nur zwei Dinge wolle, nämlich Wissen und Freiheit.

[3] “Immer dem Ziel entgegen“ war Alma M. Karlins Devise. Von Ersparnissen kaufte sie sich ihre erste Schreibmaschine, die berühmte Erika, die sie ihr Leben lang begleitete. 1919 machte sie sich auf den Weg und war bis Ende 1927 unterwegs. Während dieser Zeit bereiste sie einen Großteil der Welt. Süd- und Nordamerika, den Fernen Osten, die Pazifischen Inseln, Australien, Neuseeland und Südostasien und mehr Länder könnten wir aufzählen. Alma M. Karlin ist ein Phänomen, eine kühne, mutige Frau. Warum hat sie sich vor mehr als 100 Jahren für eine so ungewöhnliche Reise entschieden?

Ich glaube, dass es für ihre Weltreise, die am 24. November 1919, also genau am heutigen Tag  vor 102 Jahren begonnen hat, mehrere Gründe gab (*Anmerkung der Redaktion: das ist das Datum der Gesprächsaufzeichnung). Ich möchte zuerst denjenigen erwähnen, der mit ihrer Ausbildung und mit dem Teil von Almas Leben verbunden ist, als sie noch vor Beginn des Ersten Weltkriegs im interkulturellen und multinationalen London lebte und arbeitete. Dort kam sie mit vielen Sprachen in Kontakt, die sie lernen wollte und absolvierte die entsprechenden Diplome. Gleichzeitig lernte sie in London durch ihre Schüler, für die sie eine ganz besondere pädagogische Methode entwickelte, die verschiedenen Länder Asiens kennen. Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs entschloss sie sich jedoch zwei Jahre in Skandinavien zu leben, ein Jahr in Norwegen und ein Jahr in Schweden. Als sie in Schweden war, unterrichtete sie Fremdsprachen und besuchte oft die Nationalbibliothek und fand dort einige interessante Bücher. Zu dem Zeitpunkt wurde ihr klar, dass zu ihrer Bestimmung zweierlei gehört: Schriftstellerin und Weltreisende zu sein. Natürlich ist es ein großer Schritt von dem, was man will, zu dem, was man dann zu verwirklichen beginnt. Alma begann dies zu erkennen, nachdem sie während des Ersten Weltkriegs nach Celje zurückgekehrt war und eine Privatschule für Sprachenunterricht gründete. Sie selbst beschreibt, dass sie damals zum ersten Mal anfing, Börsenlisten zu lesen, um günstig möglichst viele Fremdwährungen zu erhalten. Sie begann Zeichnen zu lernen, da sie wusste, dass ihr das auf ihrem Weg um die Welt nutzen wird, und sie wusste, dass sie sich von zu Hause lösen will. Vermutlich steckte da bereits ihr unglaublicher Ehrgeiz, etwas Besonderes zu tun, in ihrem Kopf. Sie stellte sich eine Reise unter besonderen Bedingungen vor, dass sie alleine auf diese Weltreise geht, d. h. unbegleitet und ohne Empfehlungsschreiben und dass sie auf dieser Reise alles tun wird, um diese sich selbst zu finanzieren.

Da sie nicht viel Geld hatte, versuchte sie immer so zu reisen, dass sie sich ihre Unterkunft selbst verdiente und auf vieles verzichtete. Sie schreibt oft, dass sie auf ihrem Weg um die Welt von Brot und Tee zum Frühstück, Brot und Tee zum Mittagessen und Brot und Tee zum Abendessen lebte.

Sie hat sehr, sehr viele materielle bzw. körperliche Hindernisse überwunden, sie besuchte viele Länder der Welt, bereiste zuerst mit dem Boot das Mittelmeer. Das erste große Ziel war Südamerika bzw. Peru. Dann reiste sie mit dem Schiff in die USA, auf Hawaii, nach Japan, China, Taiwan, Korea, Indonesien, Australien und Neuseeland, zwei ein halb Jahre verbrachte sie auf den Südseeinseln, dann ging es nach Burma, Pakistan, Indien und dann mit dem Schiff, nach acht Jahren, über Trieste nach Celje.

Diese Reise war für sie interessant, weil sie diese Wege, die sie gegangen ist, immer mit dem Weg des Studiums verbunden hat, d. h. wenn sie in eine bestimmte Stadt kam, wollte sie zuerst wissen, wo die Bibliothek ist. Dort las sie dann Bücher über diese Gegend und in den Bibliotheken traf sie viele interessante Leute, die sie nach verschiedenen Dingen fragte. Sie verband die Reise auch mit dem Schreiben. Schon auf ihren Reisen um die Welt schrieb sie immer wieder Reiseskizzen auf ihrer Erika-Schreibmaschine. Diese Schreibmaschine war ihre liebste und ausdauerndste Freundin auf ihrer Reise um die Welt. Alma wollte ihren Lebensunterhalt immer kreativ verdienen. Aber ihre Reise diente auch dazu, nicht nur Reiseskizzen aus ihren Reisebeschreibungen zu schreiben, sondern aus all diesen Reisen und Begegnungen mit Menschen, Kulturen, Ländern und Sprachen schrieb sie die überwiegende Mehrheit ihrer literarischen Werke, von Kurzgeschichten bis hin zur Poesie. Gleichzeitig trug ihre Reise aber auch dazu bei, dass sie nach ihrer Heimkehr ihren Fokus nach einiger Zeit von dem, was draußen geschah, von dem, was sie in Begegnungen mit all diesen Menschen und Kulturen erlebte, auf einen anderen Weg lenkte, nämlich sich selbst kennen zu lernen. In ihren Reiseberichten schreibt sie, dass die Reise selbst, die ja wirklich eine bemerkenswert war, dazu beigetragen hat, dass sie sich zu fragen begann: Wer bin ich? Was für ein Mensch bin ich? Und: Was ist meine Mission in der Welt zu Lebzeiten?

[4] Du hast bereits ihre innere Umkehrung erwähnt – im spirituellen Sinne, wie sie durch das Reisen in ihrer Persönlichkeit gewachsen ist. Gehen wir zurück in ihre Kindheit. Du hast ihr Leben in einer überwiegend deutschen Familie bereits erwähnt, ich denke hier an die Alltagssprache. Wie die damalige Mehrheit der Bevölkerung von Celje sprach Alma Deutsch, sie sprach Slowenisch nicht gut, nur umgangssprachlich. Ist es also objektiv, dass wir über eine große slowenische Reisende sprechen? Zum Zeitpunkt ihres Todes durfte sie als Deutsche in Slowenien nicht diskutiert werden, aber 70 Jahre später begann die slowenische Wissenschaft intensiv über sie zu forschen, wie du selbst weißt.

Das ist sehr schwer zu erklären, weil dieses Thema sehr komplex ist und Geschichte beinhaltet – die Geschichte der Sprachen – gerade in Städten in der Südsteiermark, die seit jeher zweisprachig sind. Die gesellschaftliche Prestigesituation zwischen Deutsch als Hauptsprache und Slowenisch als Nebensprache hat sich im Laufe der Jahrzehnte stark verändert. Dies wird auch bei Alma beobachtet. Ich habe bereits gesagt, dass Almas Eltern sie so erzogen haben, dass Deutsch an erster Stelle stand, wahrscheinlich weil sie beide pragmatisch waren und mit Deutsch mehr erreichbar war. In dieser Zeit konnte durch die deutsche Sprache viel erreicht werden, gerade auch im Beruf.

Dann war es aber die slowenische Sprache, die Alma die ganze Zeit begleitete. Ihre Familie war zweigeteilt. Einige wurden nach Beginn der nationalen Konflikte ultraslowenisch, die andere Hälfte wurde ultradeutsch. Während Almas Mutter aber immer pragmatisch war, auch was ihre Tochter anging und sie nicht damit belasten wollte. Alma wurde nicht im deutschnationalen Geist erzogen, der ging Alma auch auf die Nerven und war einer der Gründe, warum sie sich auf Weltreise begab. Sie schrieb, dass die Tatsache, dass sie mit Deutsch als Muttersprache aufgewachsen sei, wir ihr nicht übel nehmen dürfen. Alma konnte sicherlich Slowenisch, wie hätte sie sonst das handgeschriebene Wörterbuch in zehn Sprachen schreiben können – darunter Slowenisch in der letzten Spalte – obgleich nicht alle Spalten voll sind. Es ist ersichtlich, dass Alma Slowenisch konnte, aber entschieden hat, ihre Karriere als Schriftstellerin, in Verbindung mit Reiseberichten und literarischen Werken, ausschließlich mit der deutsche Sprache zu verbinden. Dies war in Folge einer der Gründe, dass nach der Veränderung der Situation in Slowenien bzw. in Jugoslawien, so sehe ich es, sie ihr Lebensende in schrecklicher Armut verbrachte, in einem kleinen Weingartenhäuschen in Pečovnik bei Celje, als fast völlig vergessene Schriftstellerin.


Der Zweite Weltkrieg brachte einen Einschnitt und Alma war es nicht mehr möglich – es gab keine Postanbindungen mehr – mit den deutschen Verlegern in Kontakt zu bleiben, die zuvor alle ihre Werke veröffentlichten. Das veränderte die Pläne, die sie für ihren Lebensunterhalt im Sinn hatte.


Diese Entscheidung, alle ihre Werke auf Deutsch zu schreiben, hat man ihr bereits während des Zweiten Weltkriegs und besonders danach sehr übelgenommen. Man hat nämlich in der Geisteshaltung nicht zwischen der Sprache, d. h. zwischen Deutsch und dem Nationalsozialismus als Ideologie unterschieden. Wahrscheinlich wegen all dieser schlechten Erfahrungen, die die Einwohner von Celje mit den Deutschen gemacht haben, die sie besetzten, wie sie auch ganz Jugoslawien besetzten, wurde Alma nach dem Krieg zur beinahe völlig vergessenen Autorin.

Erst 1969 wurde der erste Teil ihres Reiseberichts ins Slowenische übersetzt und bestimmte Passagen daraus wurden sogar herausgeschnitten, Passagen die für Menschen, die ihre Reiseberichte während des Kommunismus lasen, wahrscheinlich gefährlich hätten werden könnte. Das alles begann sich erst mit der Unabhängigkeit Sloweniens zu ändern. Ich denke, dass diese Vorurteile auch heute noch nicht ganz abgelegt sind und ich sie immer noch ziemlich oft höre, vielleicht nicht bei offiziellen Präsentationen, aber danach, in privaten Gesprächen.

Die Bezeichnung „große slowenische Schriftstellerin und Weltreisende“ scheint mir nicht die geeignetste zu sein, da sie Deutsch als Sprache, in der sie all ihre Werke verfasste, ausschließt und ich würde mich denen anschließen, die sie heute „deutsch-slowenische Weltreisende und Schriftstellerin“ nennen. Ich glaube aber nicht, dass Alma diese akzeptieren würde, weil sie über den nationalen Rahmen hinaus wollte und, wie sie schrieb, wusste, dass es ihr die Altösterreichern übel genommen hatten, weil sie in Jugoslawien blieb und niemand wurde, der Nationalsozialistische Ideen aufsaugte. Gleichzeitig war ihr bewusst, dass sie von den Slowenen nicht als die ihrige akzeptiert wurde und so fand sie für sich einen Ausdruck, der mir ihren Geist am besten widerspiegelt, nämlich „Weltbürgerin“. Ich glaube nicht, dass Alma von niemandem in irgendeine Schublade gesteckt werden wollte, auch was ihre nationale Zugehörigkeit betrifft.

[5] Ihre wichtigsten Werke veröffentlichte Alma M Karlin im ersten Jahrzehnt nach der Rückkehr von ihren Reisen, von 1928 bis 1938. In dieser Zeit erschienen nicht weniger als zweiundzwanzig ihrer Bücher in verschiedenen Verlagen in Deutschland, England, Finnland, der Schweiz etc. Drei ihrer wichtigsten Reisewerke erreichten damals eine Auflage von etwa 80.000 Exemplaren (!) und wurden ins Englische, Französische und Finnische übersetzt. Diese Werke fanden in Mitteleuropa Anklang und ihre vielen öffentlichen Vorträge waren gut besucht. Wie lebte Alma M. Karlin in dieser glorreichen Zeit? 1931 wurde sie auch als eine der einflussreichsten Frauen Deutschlands vorgestellt. Hat Alma dann endlich ihre Katharsis gefunden, die sie gesucht hat? Was sagst du, Jerneja?

Also ich würde sagen, Alma war im Herzen wirklich ein sehr ehrgeiziger Mensch und sie hat alles auf ihre Karriere als Weltreisende und Schriftstellerin gesetzt. Schon während ihrer Reise um die Welt hat sie sehr gelitten, denn obwohl sie für verschiedene europäische Weltzeitungen oder z. B. für die örtliche Cillier Zeitung gratis Artikel schrieb, hatte sie einerseits keinen guten Literaturagenten und andererseits auch, weil die Verbindungen vor 100 Jahren andere waren als heute. Sie konnte keinen Kontakt zu den Verlegern herstellen und war zu dieser Zeit fast unbekannt. Tatsächlich litt sie sehr, z. B. als sie Ende 1926 nach Indonesien kam, in die Bibliothek ging und in einen deutschen Club kam und bei einem erneuten Blick in die Zeitungen feststellte, dass ihre Artikel nirgends zu finden waren, ihre Weltreise nicht irgendwo erwähnt wurde usw.. Sie bekam während der Reise nicht das, was sie wirklich wollte. Selbst als sie im Dezember 1927 nach Celje zurückkehrte, dachte sie, dass man sie mit Fanfaren, mit Kränzen begrüßen werden würde, aber da war niemand – oder nur ein kleines Mädchen, das ihr half, die Speere aus der Südsee zu tragen, die Alma mitgebracht hatte.

Alma zog sich dann eine Zeit lang ganz ins Private zurück und begann mit der Bearbeitung von Reiseberichten, fand dann den passenden Kontakt zu einem Verleger, Wilhelm Köhler aus München. Als die Reiseberichte herauskamen, zunächst in zwei Teilen, dann sogar, weil sie so beliebt waren, in drei Teilen, zu einem besonderen Preis, den sich möglichst viele Menschen leisten konnten. Damit hat sich in ihrem Leben viel geändert, sie hat endlich Anerkennung bekommen. Ich habe viele Zeitungsberichte darüber gelesen, wie man sie empfangen hat, wenn sie auf Präsentationen in ganz Europa ging. Österreich, Deutschland, England usw. . Die Leute, besonders die Frauen, waren von ihr begeistert. Ich habe für keinen heute lebenden, slowenischen Schriftsteller ein solches Lob gesehen. Ich habe auch ihre Rezensionen durchgesehen, diese sind in der Nationalbibliothek, im NUK, in Ljubljana archiviert – fünf große Kisten. Sie war europaweit bekannt, nicht nur im deutschsprachigen Raum. Eine sehr interessante Information habe ich entdeckt und sie hat mich wirklich zum Lachen gebracht, weil sie neu war und sie mir aber viel gesagt hat. Nachdem Alma nach Celje zurückgekehrt war, war sie auch in Finnland sehr berühmt, der erste Teil ihres Reiseberichts wurde sogar auf Finnisch veröffentlicht und eine finnische Journalistin beschloss, sie zu besuchen, weil sie eine so berühmte Weltreisende ist und ging dafür zu Fuß von Finnland nach Celje.

Oder das Ereignis mit dem Buchhändler, der von einem deutschen Akademiker angesprochen wurde und der wissen wollte, welche Werke Alma neben Reiseberichten geschrieben hätte. Weil er noch nie zuvor ein Werk einer Schriftstellerin gelesen hätte, ihn nun aber Alma M. Karlin aufgeklärt bzw. in seiner Meinung verändert hätte, so dass er fortan auch die Werke von Schriftstellerinnen lesen würde.

Dann begannen ihr weniger schöne Dinge zu passieren. Alma gewährte Ubald Tartaruga und Joachim Bonsack, die sich gegen das nationalsozialistische Regime engagierten, in Celje Zuflucht und setzte damit einen Schritt gegen ihre Karriere, weil das nationalsozialistische Regime sie nicht mehr so ​​akzeptierte. Es wurden ihre Bücher zwar nicht verboten, aber aus den Bibliotheken ausgeschlossen, und natürlich wurde die Auswahl an Verlagen, die bereit waren, ihre Werke zu veröffentlichen, stark eingeschränkt. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, erschienen ihre Werke jedoch nicht mehr. Ich habe einen sehr interessanten Briefwechsel zwischen Alma und ihrem Lieblingsverleger aus Leipzig, Max Möhring, gelesen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnten sie wieder korrespondieren und er war bereit, alle ihre Arbeiten zu veröffentlichen, aber es war zu dem Zeitpunkt nicht genug Papier verfügbar. Wie glücklich war Alma, als 1948 nach langer Zeit ein ganz kleines Büchlein mit dem Titel I Chaos jüngstes Enkelkind, in einer Zeit der Papierknappheit und Menschen das Büchlein dennoch kaufen wollten, die in einer Auflage von 5.000 Exemplaren veröffentlicht wurde.

[6] Alma starb 1950 an Tuberkulose und Brustkrebs in einer Weinberghäuschen in Pečovnik, wo sie ihre letzten Jahre mit Thea verbrachte, die sie auch sich am nächsten ließ. Auf eigenen Wunsch ließ sie sich von Thea in Svetina nad Štorami beerdigen. Sie starb verarmt, krank und verlassen. Du hast uns bereits beschrieben, warum sie verarmt ist. Was können wir, 100 Jahre später, am Beispiel Alma M. Karlin und ihrem Wirken für heute lernen?

Ich sehe Alma als eine Frau, die in ihrer Zeit viele geografische und physische Barrieren überwunden hat, ihre körperlichen Gebrechen und würden wir ihrer Schritte um Welt zählen, würden es millionen oder sogar milliarden sein. In geografischer Hinsicht können wir von ihrer Neugier lernen und ihre Art wahrzunehmen, um die Welt reisen, sie selbst bezeichnete es ja als Forschungsreise, d. h. sich auf Reisen vorzubereiten. Vor allem, dass wir nicht als Touristen reisen, sondern versuchen, die Welt, Kulturen, Menschen auf eigene Art zu betrachten. Alma befasste sich hauptsächlich mit alten Mythen, Aberglauben, Liebes- und Todeszaubern usw. Sie hatte kein Geld für große Expeditionen. Als Hobby-Ethnologin und Anthropologin hat sie einen großen Schritt nach vorn gemacht. Sie ging über etliche der Rollen hinaus, die man Frauen zu dieser Zeit zuschrieb. Seit sie sich bewusst war, als sie sich entschied, eine Weltreisende und Schriftstellerin zu werden, hat sie bis zuletzt auf diesem Weg und ihrer Berufung beharrt. Sie ist keinen Millimeter davon abgewichen, egal um welchen Preis und ich würde sagen, sie hat mit dieser Entscheidung teuer bezahlt. Aus den letzten Büchern die ich recherchiert, übersetzt bzw. herausgegeben habe, die aus der Zeit des Nationalsozialismus und des Kommunismus stammen, erfahren wir, wie mutig sie war, zwei grausamen Regimen »nein« ins Gesicht zu sagen und sich dahinter zu stellen und einen sehr hohen Preis dafür zu zahlen. Während des Nationalsozialismus ging ihr Buchmarkt verloren und der Kommunismus ließ sie nicht einmal zu den Alliierten, sondern nur nach Dalmatien und dann musste sie nach Celje zurückkehren. Sie hat das alles bezahlt, weil sie diesen beiden vor den Nazis Flüchtenden geholfen hat. Damit stellte sie sich nicht nur mit ihren Worten, in denen sie stark war, sondern auch mit ihren Taten auf die Seite der Menschen und nicht auf die Seite des Regimes. Was ein pragmatischer Mensch oder sie als Schriftstellerin, die irgendwie hat in ihrem Beruf überleben muss hätte tun können, sie tat es aber nicht. Alma hat in ihrer Wahrnehmung von geografischen, theosophischen und spirituellen Weiten einen langen Weg zurückgelegt, aber sie hat in ihrer Zeit nicht alles sehen und überwinden können. Es ist zu sehen, dass sie trotz ihrer Nähe zu Menschen mit einem europäischen »Rucksack« um die Welt gereist ist, was bedeutet, dass Weiße mehr wert waren und andere nicht, aber das ist nicht so eindeutig oder es hängt oft damit zusammen, wie sie dort behandelt wurde, wo sie war. Z.B in Südamerika hatte sie sehr schlechte Erfahrung mit Männern, was die ganze Nation in ein ganz schlechtes Licht gerückt hat, während sie in Japan gut aufgenommen wurde, weil sie körperlich in Ruhe gelassen wurde, und sie sagte, Japan sei die beste Nation, sogar besser als die Europäer.

Almas Arbeit und ihr Leben können uns, die 100 Jahre nach ihr leben, die Gelegenheit geben, über die Dinge nachzudenken, mit denen wir uns heute auseinandersetzen müssen. Nicht nur mit dem Virus, sondern auch mit dem wachsenden Nationalismus, Egoismus usw. . Wenn ich dürfte, würde ich sagen, Alma war doch eine Art stille Revolutionärin und das könnten wir auch sein, in dem Sinn, dass wir auswählen und werden, wer wir sind und den Mitmenschen das gleiche Recht zugestehen, auf gleicher Augen- und Herzhöhe.

Danke Jerneja für deinen informativen und breiten Blick in das Leben von Alma M. Karlin und erlauben sie es mir, dass ich mit ihrem Zitat das Interview beende:

“Dem Kühnen gehört die Welt, das habe ich mir immer vorgehalten. Wer nicht über die engen Grenzen des ihm ursprünglich eingeräumten Horizonts hinauszudringen versucht, wer nie in die Tiefen des Lebens hinabsteigt, und wer nie die Erde verläßt, um im Geiste höhere und reinere Regionen zu durchschweben, der hat zwar auch gelebt, aber doch nur wie eine Seidenraupe in ihrem Kokon. Leben ist die Erforschung des noch Unbekannten.”

Alma Karlin: Mein kleiner Chinese, Erstdruck: Dresden, Verlag Deutsche Buchwerkstätten, 1921

Die Worte Weltbürgerin und Schriftstellerin auf der neu aufgestellten Gedenktafel an Alma Maximiliane Karlin in Celje weckten die Neugierde Jerneja Jezerniks schon als Gymnasiastin. Wer war diese Frau? Wer kann sich noch an sie erinnern?
Seit mehr als zwanzig Jahren widmet sie sich nun bereits der Erforschung des Lebens und dem Wirken der herausragenden Schriftstellerin und Weltreisenden. Wie Frau Jezernik wuchs auch Alma Karlin in Celje auf, nur eben ein knappes Jahrhundert vor ihr.

Es ist nachgewiesen, dass Alma als Jugendliche regelmäßig bei einem Orthopäden in Graz zur Behandlung war und später in den 1930er Jahren hielt sie Vorträge auch in unserer Region. 1908, mit 19 Jahren, bereiste sie mit ihrer Mutter Europa, der Weg führte sie nach Norditalien, in die Schweiz, nach Paris, London, Brüssel und Deutschland. Noch im selben Jahr zog sie nach London und studierte Sprachen. An der Royal Society of Arts und der London Chamber of Commerce, absolvierte sie Prüfungen aus Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Dänisch, Schwedisch, Norwegisch und Russisch. 1918 kehrte sie nach zwei Jahren in Skandinavien zurück nach Celje, wo sie eine Sprachlernschule gründete.

Was bewog Alma M. Karlin 1919 alleine auf Weltreise zu gehen? Welchen Einfluss übten ihre Eltern und die Zeit in der sie lebte auf sie? Wie wurde sie zu Lebzeiten von der Öffentlichkeit wahrgenommen? Was machte Alma M. Karlin zu so einer besonderen, herausragenden Persönlichkeit? Was können wir heute von ihr lernen?